Wie aus dem Bremer Concordia-Kino ein Theater wurde
Vor 50 Jahren wollte das bildungsbürgerliche Publikum nicht länger die modernen Inszenierungen im Theater am Goetheplatz sehen. Und so entstand eine neue Bühne.
Der damalige Theaterintendant Kurt Hübner traute sich was: 1970 lag er mal wieder so im Clinch mit Bremens Kultursenator Moritz Thape (SPD), dass diesmal sogar zur Debatte stand, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden. Hübner zeigte sich aber unbeeindruckt von den Querelen, bei denen es wie immer um’s Geld ging. Forsch forderte er eine weitere Aufführungsstätte, die Concordia-Probebühne an der Schwachhauser Heerstraße.
Wir möchten eins: Aus dem Theater am Goetheplatz alles herausnehmen, was weitgehend versucht, neue Mittel und Formen des Theaters zu ergründen.
Kurt Hübner, Theaterintendant
Das Bremer Bildungsbürgertum, das im Theater am Goetheplatz seine Klassiker klassisch erleben und in den Kammerspielen Böttcherstraße einfach unterhalten werden wollte, hatte wenig Lust auf Experimente, wie das Hübner-Team sie auf die Bühne brachte. Auch Bühnenbildner und Regisseur Wilfried Minks freute sich auf die neue Spielstätte. Er versprach sich viel von einem Konzept des experimentellen offenen Raums. Mit Zuschauern von drei Seiten könnte sich "eine viel direktere und plastischere Wirkung" entfalten. Seiner Ansicht nach wären Stücke wie "Maß für Maß" im Concordia sicher viel besser aufgehoben als auf der Bühne im großen Haus.
Schauspieler hungerten im Selbstversuch
Die Eröffnungsvorstellung fand am 26. Januar 1971 statt: Gezeigt wurde "Pioniere in Ingolstadt" unter Regie von Rainer Werner Fassbinder. Aber das bekannteste Stück, das hier gespielt wurde, war sechs Jahre später der "Hungerkünstler". Der bis dahin unbekannte Regisseur George Tabori nutzte dafür die gleichnamige Erzählung von Franz Kafka. Für seine Inszenierung ließ er die zehn Schauspieler 40 Tage lang in einem Selbstversuch fasten. Der zuständige Kultursenator drohte damit, das Ensemble zwangszuernähren und Tabori zu verhaften. Abgemagert und hohlwangig brachten sie das Stück dennoch auf die Bühne – jedoch unter ärztlicher Aufsicht.
Vom Konzert-Pavillon, Schankwirtschaft, Kino zum Theater
Bereits 1851 begann die Geschichte des Theaters als kulturelle Einrichtung. In dem ehemaligen Eisenbahn-Pavillon fanden Gartenkonzerte mit geistlicher Musik statt. Knapp 30 Jahre später entstand in dem Gebäude direkt an der Eisenbahnstrecke Bremen-Hannover eine Schankwirtschaft. Von nun an hieß es "Concordia", was lateinisch "Eintracht" bedeutet. Nach Kriegsende wurde dann auch schon Theater gespielt. Der Bremer Senat hatte das ehemalige Tanzlokal 1945 beschlagnahmen lassen, weil das neu gegründete Künstlertheater auf der Suche nach einer Spielstätte war, die nicht in Trümmern lag. Schon im September ‘45 bekam das Publikum in dem Gebäude das erste Stück sehen. Zum Ensemble gehörte auch der spätere Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff. Gut 25 Jahre später hat dann Kurt Hübners moderner Theaterstil für ein volles Haus gesorgt. Das Concordia, das in den 50er Jahren übrigens auch mal ein Kino war, wurde endgültig ein Stück Bremer Kulturgeschichte.
Concordia im Wandel der Zeit
In der Spielzeit 2007/2008 trennte sich das Bremer Theater aus finanziellen Gründen vom Concordia. In die Räume zogen zeitweise ein Theaterlabor und die Shakespeare Company ein. Seit 2012 stand das Gebäude an der Schwachhauser Heerstraße Ecke Herderstraße wegen des maroden Zustands leer. So rückte 2016 der Abrissbagger an. An gleicher Stelle entstanden 60 Studentenwohnungen. Immerhin erinnert im Erdgeschoss ein gleichnamiges Cafè an das legendäre Concordia.
Radio-Beitrag hören:
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 26. Januar 2021, 7:40 Uhr