Interview

Das hält Bremens Ex-Senator Ralf Fücks von einer Ampel-Koalition

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Ralf Fücks war 1991 als Bremer Umweltsenator Teil der ersten echten Ampelkoaliton auf Landesebene. Im Interview erklärt er, wie ein Bündnis im Bund zwischen FDP und Grünen klappen kann.

Als Senator hatte Fücks damals dazu beigetragen, dass die Ampel-Koalition in Bremen zerbrach: Ohne Abstimmung in der Koalition hatten die Grünen Vogelschutzgebiete in der Hemelinger Marsch ausgewiesen. Die FDP wollte, dass auf den Flächen Gewerbegebiete entstehen. Es kam zum Bruch – wenige Monate vor der Wahl. Heute ist Fücks großer Befürworter einer Zusammenarbeit zwischen FDP und Grünen. Im Interview spricht er über die Chancen – und aus welchen Fehlern der Bremer Ampel FDP und Grüne lernen können.

FDP und Grüne treffen sich zu ersten Sondierungen. Was könnten aus Ihrer Sicht die Knackpunkte bei den Koalitionsverhandlungen werden?

Die zentrale Streitfrage liegt in der Kombination von Finanz- und Klimapolitik. Christian Lindner hat sich im Wahlkampf gegen die Aufweichung der Schuldenbremse weit aus dem Fenster gelehnt. Wir brauchen aber deutlich höhere öffentliche Investitionen: Schulen, Schienenverkehr, schnelle Datennetze, sozialer Wohnungsbau. Da besteht ein riesiger Investitionsstau. Gleichzeitig fordert die FDP umfangreiche Steuersenkungen. Das geht nach Adam Riese nicht auf.

Ein sektorübergreifender Emissionshandel ist ein zentraler Hebel, um private Investitionen für mehr Klimaschutz zu mobilisieren. Das muss aber durch öffentliche Investitionen flankiert werden. Über die klimapolitischen Ziele kann man sich leichter verständigen als über die Wege. Das wird vermutlich der härteste Brocken in den Koalitionsverhandlungen. Im Kern müssen sich Grüne, FDP und SPD darauf verständigen, ob die Reise in Richtung ökosozialer Marktwirtschaft geht. Oder ob es am Ende mehr Dirigismus und Verbote für Unternehmen und Bürger gibt.

Und wo sehen Sie Gemeinsamkeiten?

Bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, mehr Chancengleichheit in der Bildung oder der stärkeren Förderung von Forschung und Entwicklung gibt es Überschneidungen. Auch bei Bürgerrechten, Datenschutz und einer liberalen Migrationspolitik haben Grüne und FDP ähnliche Überzeugungen. Das gilt auch für eine kritischere Haltung gegenüber China und Russland in der Außenpolitik. Gegenüber der Stagnation der Großen Koalition könnte das ein überfälliger Aufbruch werden.

In den letzten Tagen wurde viel von einem Aufbruch gesprochen, den die Koalition haben müsse. Aus Ihrer Regierungserfahrung: sollte es eher um die gemeinsame Richtung gehen, oder ist es wichtiger, dass FDP und Grüne ihre Streitpunkte vor der Regierungszeit abräumen?

Um ihre Konflikte überbrücken zu können, müssen sich die Koalitionspartner über gemeinsame Ziele und Leitlinien verständigen. Das war damals das Problem der Ampel in Bremen: Wir konnten uns in zentralen Fragen nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen. Stattdessen versuchte jeder, Erfolge auf Kosten des anderen zu erzielen. Damit es jetzt im Bund besser läuft, braucht es eine tragfähige Grundmenge an Gemeinsamkeiten. Dann kann man nach Kompromissen suchen.

Deutschland braucht dringend eine handlungsfähige Regierung angesichts der Herausforderungen, die auf uns zurollen: der ökologische Umbau einer komplexen Industriegesellschaft, der demographische Wandel, die digitale Revolution, Dazu kommen die Erwartungen aus den Nachbarländern, dass die Bundesrepublik mehr Verantwortung in Europa und der Außenpolitik übernimmt. Wir brauchen mehr Tatkraft und Dynamik und keine Regierung, die sich mit sich selbst beschäftigt, wie das bei der Großen Koalition in den letzten Jahren der Fall war.

Sie waren damals Teil einer Ampel-Koalition. Was hat sich aus Ihrer Sicht seitdem bei den Grünen und der FDP verändert?

Die Grünen haben heute ein ganz anderes Selbstverständnis als Partei, die regieren will. Die Jamaika-Verhandlungen auf Bundesebene 2017 sind ja nicht an den Grünen gescheitert. Die Grünen hadern nicht mehr mit ihrer Rolle als Regierungspartei. Sie wollen endlich auch im Bund aus der Regierung gestalten.

Bei der FDP ist das ähnlich. Die Liberalen wissen genau, dass sie sich nicht nochmal leisten können, Koalitionsverhandlungen scheitern zu lassen. Das wäre tödlich. Insofern ist der Einigungsdruck hoch.

Inhaltlich sind die Parteien heute auch näher beieinander, als viele denken. Die FDP tritt in Teilen für einen ambitionierten Emissionshandel und für eine ökologische Kreislaufwirtschaft ein. Das war früher nicht selbstverständlich. Leute aus der Start-up-Szene und junge Selbstständige schwanken oft zwischen FDP und Grünen, weil ihnen bei den einen das ökonomische und bei den anderen das ökologische Programm besser gefällt. Jetzt müssen die beiden Parteien dafür eine Brücke finden.

In der Nachbetrachtung: Was waren die Erfolge des Ampel-Bündnisses in Bremen?

Die Ampel hatte durchaus einen vielversprechenden Start. Grüne und FDP verständigten sich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen, das Monopol der SPD auf die Stadt zu knacken. Ämter in der Verwaltung und den öffentlichen Betrieben sollten nicht ausschließlich mit SPD-Leuten besetzt sein, die Oppositionsrechte in der Bürgerschaft gestärkt werden. In der Finanzpolitik verfolgte die Ampel eine Mischung aus Investieren und Sparen, um die Schuldenkrise zu bekämpfen und Bremen wirtschaftlich voranzubringen. Ich habe für das Konzept der „Stadt am Fluss“ gefochten, die heute alle gut finden. Damals waren die alten Hafenreviere total umstritten.

Ralf Fücks (1995)
Ralf Fücks verlor 1995 in der "Piepmatzaffäre" ein Misstrauensvotum. Der Koalitionspartner FDP stimmte mit der Opposition gegen Fücks. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

... und woran ist das Bündnis dann zerbrochen?

Je länger das ging, desto heftiger trat der Konflikt in der Flächen- und Stadtentwicklungspolitik zwischen FDP und Grünen zutage. Wir behandelten die Koalition beide als ein Nullsummenspiel, bei dem der eine verliert, was der andere gewinnt, statt den gemeinsamen Erfolg zu suchen. Je länger das ging, desto mehr ging es um die Frage: Wer setzt sich gegen wen durch? Dazu kam, dass die SPD zwischen einem rot-grünen und einem antigrünen Flügel zerstritten war.

Sie haben das "Zentrum Liberale Moderne" mitgegründet. Das klingt ja schon nach liberal-ökologischer Zusammenarbeit. Was würden Sie sich für den Bund wünschen? Eine Jamaika- oder Ampelkoalition?

Natürlich wäre es taktisch dumm, wenn Grüne und FDP Jamaika prinzipiell ausschließen würden. Aber die Ampel ist die wahrscheinliche Option: Die Union hat die Wahl krachend verloren, Armin Laschet ist als Kanzlerkandidat gescheitert. Es gäbe wohl einen ziemlichen Aufschrei, wenn Grüne und FDP der Union ins Kanzleramt helfen würden. Dass Laschet es wird, kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Aber am Ende wird Kanzler, wer eine Mehrheit des Bundestags hinter sich versammelt. Wenn das mit der SPD nicht gelingt, wird Jamaika doch noch eine Option.

Klar ist auch, dass die Ampel für die FDP eine Zumutung bedeutet. Deshalb darf man nicht den Fehler machen, die FDP in den Koalitionsverhandlungen klein kochen zu wollen. Das geht schief. Für die Liberalen ist die Hürde in eine Ampel höher. Umgekehrt wäre es für die Grünen mit Jamaika so. Daher ist es klug, dass die Grünen erstmal mit der FDP ausloten, wie eine gemeinsame Regierung zustande kommen kann.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Oktober 2021, 19:30 Uhr