Bremer Schüler schlüpfen in Roben: Gerichtssaal wird zum Klassenzimmer
Schule trifft Justiz: Bremer Schüler spielen Gerichtsprozess nach
Die Justiz ist wichtig für alle, doch viele haben nur wenig Bezug dazu. Das Projekt "Recht macht Schule" möchte Jugendlichen praxisnah den Rechtsstaat erklären.
In Saal 231 des Bremer Landgerichts beginnt an diesem Vormittag eine ungewöhnliche Verhandlung. Auf den ersten Blick sieht es fast aus wie immer: Staatsanwälte, Richterinnen und Verteidiger sitzen auf ihren Plätzen – alle in schwarzen Roben. Auf den zweiten Blick aber ist klar: Es sind Schülerinnen und Schüler, die an diesem Tag den Gerichtssaal für sich haben.

Sie spielen in dieser besonderen Unterrichtsstunde eine echte Gerichtsverhandlung nach. Damit das Rollenspiel authentisch ist, hat die Vorsitzende Richterin Gesa Kasper für die sechste Klasse des Bremer Kippenberg-Gymnasiums einen echten Fall heraus gesucht, der kürzlich am Landgericht verhandelt wurde: einen Raubüberfall auf einen Taxifahrer.
Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert
Marie, eine der Schülerinnen, verliest die Anklageschrift. Ganz schön schwierig seien diese juristischen Begriffe gewesen, sagt sie später. Aber von der Erfahrung, mal einen echten Gerichtsprozess nachspielen zu können, ist sie erkennbar begeistert. So geht es nach dieser Stunde den meisten Schülerinnen und Schülern.

Gesa Kasper verhandelt als Vorsitzende einer großen Strafkammer im Alltag selbst schwere Straftaten. An diesem Tag führt sie die Schülerinnen und Schüler durch den Ablauf eines Strafprozesses.
Wie glaubwürdig sind Zeugen?
Als der Schüler, der die Rolle des Verteidigers übernommen hat, die Zeugin fragt, wie weit sie denn vom Taxi entfernt gewesen sei, geht Richterin Kasper direkt dazwischen: "Sehr gute Verteidigerfrage!" Denn, so erklärt sie den Schülerinnen und Schülern, der Zeugenbeweis sei mit Vorsicht zu betrachten. Zeugen könnten lügen oder sich irren.
Gemeinsam mit dem Bremischen Richterbund hat Kasper das Projekt vor einigen Jahren ins Leben gerufen. Auch die Rechtsanwaltskammer ist als Kooperationspartner beteiligt. Interessierte Schulen können sich auf der Internetseite "Recht macht Schule" melden.
Das Projekt vermittelt Richterinnen, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte. Diese kommen in die Klassen oder sie laden die Schülerinnen und Schüler zu sich ein – so wie Kasper die Sechstklässler des Kippenberg-Gymnasiums.
Justiz braucht Akzeptanz in der Gesellschaft
Sie macht das ehrenamtlich – aus Überzeugung: "Die Justiz braucht eine Akzeptanz in der Gesellschaft. Und es ist wichtig, dass alle Bürgerinnen und Bürger eine Vorstellung davon haben, was wir hier machen." Das stärke das Vertrauen in die Institutionen der Justiz und der Demokratie insgesamt.
Im Unterricht kommt das Wissen um Recht und Justiz oft eher kurz. Manchmal ist der Rechtsstaat in Politikkursen oder Sozialkunde Thema, Recht als eigenes Schulfach ist die große Ausnahme. Entsprechend sieht auch die Justizsenatorin Claudia Schilling (SPD) dort Nachholbedarf:
Ich habe den Eindruck, dass viele Schülerinnen und Schüler noch gar nicht die Bedeutung des Rechtsstaats erkennen.
Claudia Schilling (SPD), Justizsenatorin
Dadurch, dass Praktikerinnen und Praktiker aus ihrem Berufsalltag berichten, soll nach dem Willen der Senatorin auch das Interesse für die Justiz geweckt werden.

Vielleicht wird aus dem Rollenspiel irgendwann ernst
Das sei einerseits wichtig für die Demokratie, andererseits hätte die Justizsenatorin nichts dagegen, wenn bei den Schülerinnen und Schülern auch Interesse für den "vielfältigen Beruf" des Juristen oder der Juristin geweckt würde.
Und so ist es gut möglich, dass aus dem Rollenspiel für den einen oder die andere in einigen Jahren wirklich ernst wird – und sie eines Tages als Staatsanwälte, Richterinnen oder Verteidiger zurückkehren ins Landgericht.
Bremer Richterin erklärt, wie es zu einer gerechten Strafe kommt
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Februar 2025, 19:30 Uhr