Hintergrund
100 Jahre Gewoba: Das ist die Geschichte des Bremer Unternehmens
Die Gewoba hat den sozialen Wohnungsbau in Bremen und Bremerhaven vorangetrieben. Dabei hat sie Höhen und Tiefen erlebt – ein Überblick.
Nach dem ersten Weltkrieg, und wegen der damit einhergehenden Wohnungsnot, gründen Gewerkschaften im Jahr 1924 in Bremen die "Gemeinnützige Wohnungsbaugemeinschaft" (Gewoba). Ziel ist es Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen und somit die Wohnungsnot zu verringen.
Das erste Projekt der Gewoba entsteht 1929 in der Gröpelinger Herrstraße. Der "Gewerkschaftsblock" umfasst 246 Wohnungen. Die Mieter sind hier hauptsächlich Familien gewerkschaftlich organisierter Facharbeiter und Handwerker.
Aufstieg der Nazis
Nach den ersten Erfolgen kommt der Fall. Die Gestapo verhaftet am 18. April 1933 im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung vier Mitglieder des Gewoba-Vorstands. Emil Sommer, Oskar Schulze, Albert Götze und Emil Spinner sind Mitglieder der sozialdemokratischen Oragnisationen der Bremer Arbeiterbewegung und damit politisch Verfolgte.
Kurze Zeit später erfolgt die Gleichschaltung der meisten Organisationen im Staat. Dazu zählen Parteien, Verbände, Vereine, Medien und auch Gewerkschaften. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung meint Gleichschaltung die Kontrolle aller Lebensbereiche durch die Nationalsozialisten. Im Zuge dessen wird auch das Gewerkschaftsvermögen der Gewoba beschlagnahmt.
Der "Bremische Staat" und die Bremer Landesbank werden zwei Jahre später Hauptanteilseigner der Gewoba, welche fortan als Organ der staatlichen Wohnungspolitik gilt. Sie baut jetzt vorrangig Einfamilienhäuser, die nur an deutsche Familien vergeben werden. 1938 werden dann nur noch Bauvorhaben zugelassen, die der Vorbereitung des bevorstehenden zweiten Weltkrieges dienen.
Bremen und Bremerhaven trifft der Krieg besonders hart. Im August 1944 werden in Bremen bei einem Bombenangriff in einer Nacht circa 50.000 Wohnungen zerstört. Auch viele Wohnbauten der Gewoba sind von Bombenanschlägen betroffen. Nur 71 von 2.912 Gewoba-Wohnungen bleiben unbeschädigt. Da auch der Firmensitz des Unternehmens zerstört wurde, agiert die Verwaltung rund zwei Jahrzehnte aus einer Doppelgarage heraus.
Die Zeit nach dem Krieg
Am 20. Juni 1948 tritt in den westlichen Besatzungszonen eine Währungsreform in Kraft. Die "Deutsche Mark“ ersetzte damit die "Reichsmark“ und "Rentenmark“. Durch diese Reform und dem Abbau von Schulden stand der Gewoba wieder genug Kapital zur Verfügung, um den Bau neuer Wohnhäuser zu planen.
1952 entstehen in Findorff dann 175 neue Wohnungen, damit beginnt die Gewoba ihre Neubautätigkeit nach Kriegsende.
Großprojekt "Neue Vahr"
Das Unternehmen Neue Heimat Hamburg übernimmt 1954 die städtischen Anteile an der Gewoba. Sie nennen sich ab dem 13. April "Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft". 1956 steht ein neues Großprojekt in den Startlöchern: die neue Vahr. Die Großsiedlung im Bremer Osten wird in fünf Nachbarschaften gegliedert. Es entstehen 10.000 neue Wohnungen, in denen circa 30.000 Menschen Platz finden sollen. Die Neue Vahr gilt damals als größtes Neubauprojekt in Europa.
Untergang der "Neuen Heimat"
Nach 1950 treibt die Neue Heimat den Wiederaufbau westdeutscher Städte nach dem Krieg voran und gilt als Europas größter Wohnungskonzern. 32 Jahre später entpuppt er sich aber als korrupt und verschuldet. Die Spitzenmanager sollen betrogen und somit den Konzern in den Ruin getrieben haben. Damit war auch die Bremer Gewoba pleite.
Aber die Stadt Bremen hilft: Das Unternehmen geht 1987 für eine symbolische Mark in den Besitz Bremens über und wird zur "Gewoba Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungsbau und Wohnungsbewirtschaftung". Seit der Wiedervereinigung 1989 gilt die Gewoba nicht mehr als gemeinnützig und wird nicht mehr steuerlich gefördert. Heute ist das Unternehmen eine Aktiengesellschaft.
Modell der Zukunft "Osterholz Tenever" — damals bis heute
Mit dem Bauvorhaben "Osterholz Tenever" soll 1973 das Modell der "Stadt der Zukunft" umgesetzt werden, schreibt die Gewoba auf ihrer Webseite. Das Bundesbauministerium fördet den Bau, welcher aber durch die Ölkrise und den starken Geburtenrückgang ausgebremst wird.
Ursprünglich sollte die Siedlung 4.600 Wohnungen beinhalten. Gebaut werden am Ende nur 2.650. Die Wohnungen in Osterholz sind anfangs sehr beliebt und die Wartelisten lang. Aber das Blatt wendet sich. Tenever wird zum Problem-Viertel. Das hat verschiedene Ursachen. Eine davon: Die meisten Wohnungen gehören der Neuen Heimat, die geht 1982 aber pleite. Der Gewoba gehören später nur noch ein Drittel der Häuser in der Siedlung. Die anderen zwei Drittel gehören Privateigentümern. Und die kommen den notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen zu der Zeit laut Christine Dose, der Pressesprecherin der Gewoba, nicht nach.
Sie spricht auch von Fehlern bei der Bauweise der Siedlung: "Dazu gehörte, dass die Gebäudewinkel so zueinander standen, dass man aus einigen Wohnungen gegen die Häuserwände gegenüber schaute, was bei der Dichte der Bebauung nicht gut angenommen wurde." Dunkle, enge Wege und Nischen werden zu "Angsträumen". Das führt zu Wegzug und Leerstand und das Image der Siedlung verschlechtert sich.
Tenever im Laufe der Jahre
Aber das sollte sich ändern: Anfang der 2000er kauft die Gewoba die Häuser nach und nach auf. Im Rahmen des bundesweiten Modellprojekts "Stadtumbau West“ soll das Viertel wieder lebenswert werden.
Circa 950 Wohnungen werden dafür abgerissen, weil sich die Sanierung finanziell gesehen nicht lohnt. Dadurch ist Platz für Frei- und Grünflächen und für Spielplätze. In den darauffolgenden Jahren eröffneten immer mehr soziale Räume wie ein Spielhaus, ein Kinderbauernhof oder ein Gartenprojekt für die Bewohner. Heute sind laut Dose alle Wohnungen vermietet und der Ortsteil Tenever ein beliebtes Quartier. 10.000 Menschen aus 90 Nationen leben in der Großsiedlung.
Auch wenn sich gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut, Integrations- und Bildungsdefizite weiterhin in Tenever konzentrieren würden, gelte es heute laut dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen als Vorzeigeprojekt im Bereich der sozialen Stadtentwicklung.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 07. Oktober 2024, 18:30 Uhr