Sinti und Roma in Bremen: Diskriminierung und Rassismus sind Alltag
Wie Bremer Sinti und Roma für den Abbau von Vorurteilen kämpfen
Die Sinti- und Roma-Tage in Bremen sollen mit Musik, Filmen und Lesungen die Community sichtbar machen. Nach wie vor erleben Sinti und Roma Anfeindungen.
Zwischen 80.000 und 140.000 Sinti und Roma leben schätzungsweise in Deutschland. Das sagt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Ihre Geschichte geht weit zurück. Seit über 600 Jahren leben Sinti auf deutschsprachigem Gebiet. Roma leben seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland.
Sinti und Roma werden seit dem 15. Jahrhundert immer wieder verfolgt und ausgegrenzt. Während der NS-Zeit wurden hunderttausende Roma systematisch ermordet. Die Erinnerung an den nationalsozialistischen Völkermord ist für viele von großer Bedeutung.
Um an die Geschichte zu erinnern, finden in Bremen vom 08. bis 11. April die "Sinti und Roma Tage" statt. Mit Filmen, Lesungen und Musik soll Raum und Zeit für Gespräche und Begegnungen geboten werden.
Diskriminierung hat nicht aufgehört
Auch heute erfahren Sinti und Roma noch Rassismus und Diskriminierung. "Es ist besser geworden, weil wir sichtbarer sind mit unserem Verein. Aber weg sind die Vorurteile nicht", erzählt der Vorsitzende des Bremer Sinti-Vereins Hermann Ernst.
Immer wieder kämen Beschwerden aus der Community. Sie berichten zum Beispiel von Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Wenn jemand Sinti und Roma höre, gebe es plötzlich keine Wohnung mehr.
Wenn mal irgendetwas Schlimmes passiert ist, wurde es direkt auf uns geschoben. Das waren die Z*******.
Hermann Ernst
Der Rechtsruck in Europa mache vielen Sorgen, sagt Hermann Ernst. Sie haben Angst. Viele Eltern der mittlerweile "älteren" Generation waren in Konzentrationslagern. Da kämen Erinnerungen hoch.
Sinti und Roma haben es schon in der Schule schwer
Ein neuer Bericht zeigt, Diskriminierung von Sinti und Roma fängt schon im Jugendalter an. 484 Vorfälle hat die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) deutschlandweit seit dem Jahr 2023 zusammengetragen. Die passieren an Schulen, Universitäten und Kindertagesstätten. Es handelt sich dabei um Diskriminierung und das "Z-Wort" sowie um körperliche Gewalt.
Die Auswertung der Fälle zeige ein erschreckendes Ausmaß der verbalen und physischen Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen, denen Sinti und Roma ausgesetzt sind. Verursacher seien Mitschüler, Lehrkräfte, Kita- und Schulleitungen, Erzieher, Sozialarbeiter und Beschäftigte in öffentlichen Behörden wie Jugend- und Schulämtern.
Unter anderem käme es zu ungerechtfertigten Zuweisungen auf Förderschulen, ohne dass die Kinder und Jugendlichen einen Förderbedarf aufweisen. Lehrkräfte sollen Schüler und Schülerinnen sowohl verbal als auch körperlich angegriffen haben. Verbale Stereotypisierungen und Diskriminierungen seien Alltag für die betroffenen Sinti und Roma. Das bestätigt auch Hermann Ernst: "Viele Kinder hier haben Probleme in der Schule. Das sind keine Einzelfälle."
Unterricht, Seminare und Fortbildungen sollen aufklären
Konkrete Fälle von Diskriminierung oder Mobbing gegenüber Sinti und Roma im Bremer Bildungsbereich seien nicht bekannt, sagt Patricia Brandt, Pressesprecherin der Senatorin für Kinder und Bildung. Die Verfolgung von Sinti und Roma durch das NS-Regime sei expliziter Bestandteil des Unterrichts. Das Thema werde historisch aufgearbeitet und Schüler sollen für unterschiedliche Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sensibilisiert werden.
Für Lehrkräfte plant das Landesinstitut Schule (LIS) im Herbst dieses Jahres eine Fortbildung zum Thema "Darstellung von Sinti und Roma in Schulbüchern und Lehrplänen". Auch der Bremer Sinti-Verein bietet Workshops für Schulklassen an. Meistens für Schüler ab Klasse 10. Es sei besonders wichtig, die jüngere Generation anzusprechen, sagt Ernst.
Die meisten kennen ja gar nicht den Begriff Sinti und Roma oder wissen, dass es da einen Unterschied gibt. Das Z-Wort, das kennen sie dann.
Hermann Ernst
Kein ausdrückliches Diskriminierungsverbot an Schulen
In Deutschland gibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sollen durch das Gesetz verhindert werden.
Im Bereich der öffentlichen, schulischen und hochschulischen Bildung gilt das aber nur für Beschäftigte, nicht für Schüler. Das macht rechtliche Schritte für Betroffene schwerer. Für den Schutz vor Diskriminierung sind die Länder selbst verantwortlich.
In Bremen gibt es dafür die Stelle Diskriminierungsschutz und Beratung für Schüler (DiBS). Auch Lehrkräfte würden bei Diskriminierungsfällen fachlich beraten und es gebe regelmäßige Workshops und Präventionsformate zur Sensibilisierung im Schulalltag.
Ich glaube, dass die Diskriminierung nie aufhört. Die Vorurteile werden immer bestehen bleiben.
Hermann Ernst
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. April 2025, 19:30 Uhr