Meinungsmelder

Das planen die Parteien und Bremens Bundestagskandidaten zu Hartz IV

Ein Obdachloser sitzt an einer Hauswand in einer Einkaufsstraße.
SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP und AfD haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich Armut in Deutschland wirkungsvoll bekämpfen lässt. Bild: dpa | Daniel Kubirski

Was steht in den Wahlprogrammen, und sehen die Bundestagskandidaten das auch so? Viele Radio-Bremen-Meinungsmelder wollen Hartz IV abschaffen und den Mindestlohn erhöhen.

Egal, welche Partei man fragt: Ein "Weiter so" befürwortet mit Blick auf Hartz IV und den Mindestlohn keine. Trotzdem gehen die Vorstellungen darüber, was sich konkret in der kommenden Legislatur ändern soll, weit auseinander. Für die Radio-Bremen-Meinungsmelder ist das neben der Rente eines der wichtigsten sozialen Themen, die eine künftige Regierung anpacken muss. Hier eine Übersicht mit den Kernaussagen aus den Wahlprogrammen und Erläuterungen der Bremer Bundestagskandidatinnen und -kandidaten.

SPD

  • Will Hartz IV "grundlegend überarbeiten" und zu einem "Bürgergeld" entwickeln .
  • "Bürgergeld" soll "zu einem Leben in Würde ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen".
  • Die sogenannte Eingliederungsvereinbarung zwischen Erwerbssuchenden und Jobcenter soll durch eine "Teilhabevereinbarung" abgelöst werde. So sollen die Interessen der Empfänger des Bürgergelds stärker berücksichtigt werden..
  • Arbeitslose bleiben zur Mitarbeit verpflichtet. Aber Leistungskürzungen von mehr als 30 Prozent oder die Kürzung von Wohnkosten sind gemäß Bundesverfassungsgerichtsurteil sofort auszuschließen.
  • "Das sozio-ökonomische und sozio- kulturelle Existenzminimum muss jederzeit gesichert sein".
  • Die Kriterien für die Regelsätze sollen mithilfe Betroffener und der Sozialverbände weiterentwickelt werden .
  • Zugang zu Arbeitslosengeld I soll erleichtert werden. "Dabei haben wir insbesondere neue Beschäftigungsformen und unterbrochene Erwerbsbiografien im Blick“, heißt es im Wahlprogramm.
  • Anspruch auf Arbeitslosengeld I soll umso weiter verlängert werden, je länger die Empfängerin oder der Empfänger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat .
  • Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde erhöht werden.

Einer müsste das ja bezahlen. Und wenn wieder die das sein sollen, die fleißig arbeiten und ohnehin schon genug Steuern zahlen, finde ich das ungerecht.

Radio-Bremen-Meinungsmelder aus Bremen

Das sagen die Bremer SPD-Bundestagskandidaten

Die SPD Politikerin Sarah Ryglewski im Interview.
Sarah Ryglewski will, dass das "Bürgergeld" digital und einfach zugänglich ist. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

Spitzenkandidatin und Bundestagsabgeordnete Sarah Ryglewski will das "Bürgergeld" als Teil des Sozialstaatskonzepts verstanden wissen. "Niemand ist freiwillig abhängig von Sozialleistungen. Wir wissen, dass die Menschen selbstbestimmt und unabhängig leben wollen", sagt sie. Deshalb werde die SPD einen Rechtsanspruch auf eine qualifizierende berufliche Weiterbildung einführen.

Das "Bürgergeld" greife dann, wenn eine Weiterbildung nicht zum erhofften Erfolg führe und enthalte wichtige Verbesserungen für die Betroffene: Es solle digital und unkompliziert zugänglich sein.

Uwe Schmidt im Hafen
Uwe Schmidt will, dass der Mindestlohn ansteigt und kämpft dafür mit der SPD. (Archivbild) Bild: Nils Kuhlmann

Kinder wolle die SPD aus der Grundsicherung raushalten und eine eigenständige Kindergrundsicherung einführen. "Zum Beispiel mit beitragsfreien Kitas, Ganztagsangeboten oder kostenloser ÖPNV-Nutzung. Und mit einem neuen, existenzsichernden, automatisch ausgezahlten Kindergeld", so Ryglewski.

Uwe Schmidt, Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordnete und neuerliche Bewerber um das Direktmandat, sagt zum Mindestlohn: "Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte und er wirkt. Aber er muss kräftig steigen, damit man bei Vollzeitarbeit vor Armut sicher ist und auch den Anschluss zur Mitte schaffen kann." Zudem sei der Mindestlohn die absolute Lohnuntergrenze.

CDU

  • Hartz IV (SGB II) wird beibehalten, "Fördern und Fordern".
  • Sanktionsmöglichkeiten bei Hartz IV (SGB II) werden beibehalten .
  • Rahmenbedingungen sollen verbessert werden, damit mehr geringqualifizierte Arbeitslose aus- und weitergebildet werden können. Beispiel: Sprachfähigkeiten fördern.
  • Hartz IV-Empfänger sollen hinzuverdienen können. Dafür wird die Anrechnung des Einkommens geändert mit dem Ziel, Anreize zu schaffen, um schrittweisen Ausstieg aus Hartz IV möglich zu machen .
  • Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr und während der Ausbildung zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss in Bedarfsgemeinschaften sollen mehr hinzuverdienen können (im Rahmen des Jugendschutzes).
  • Hartz-IV-Leistungsrecht (SGB II) soll vereinfacht werden mit dem Ziel, Verwaltungsaufwand und Gerichtsverfahren zu reduzieren .
  • Minijobgrenze von 450 Euro auf 550 Euro anheben. Grenze mit Blick auf Entwicklung des Mindestlohns regelmäßig prüfen. .
  • Kein bedingungsloses Grundeinkommen mit der CDU.

Warum sollte eine Friseurin jeden Tag aufstehen, wenn ihr Nachbar das gleiche Geld fürs Nichtstun erhält.

Radio-Bremen-Meinungsmelder aus Hagen im Bremischen

Das sagt die CDU in Bremen

Der CDU Vorstand Thomas Röwekamp im Interview.
Aus Sicht von CDU-Spitzenkandidat Thomas Röwekamp ist das Thema Hartz IV besonders wichtig. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

Aus Sicht des Bremer CDU-Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp ist das Thema "Hartz IV" besonders wichtig für Bremen und Bremerhaven. Das teilte die CDU in Bremen auf Anfrage von buten un binnen mit. Grundsätzlich sei es notwendig, die Schule und die Berufsorientierung besser zu verbinden, um Menschen in Ausbildungen und Arbeit zu bringen. Um gering qualifizierte Menschen in den Beruf zu bringen, solle der Blick auf deren Potenziale gelenkt und diese stärker gefördert werden.

Ziel solle es sein, dass gering qualifizierte eine Ausbildung machen. Wer sich für eine Ausbildung entscheide, solle keine Einbußen erwarten, sondern eine Prämie bei erfolgreichem Abschluss in Aussicht gestellt bekommen. Auf ihrem Weg sollten die Menschen durch das Jobcenter enger begleitet werden. Wie der Bedarf in welchen Berufen aussieht, solle regional analysiert werden, mit Blick auf ansässige Branchen und Betriebe.

Wiebke Winter steht vor einem Baum im Park.
Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger sollen aus Sicht von CDU-Direktkandidatin Wiebke Winter mehr hinzuverdienen dürfen. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

Dass Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger mehr hinzuverdienen dürfen, unterstützt die CDU in Bremen, um Anreize für besser bezahlte Tätigkeiten zu schaffen. Besonders gemeint sind demnach Alleinverdienende und Alleinerziehende, die sich nicht nur für Minijobs entscheiden sollen. Außerdem auch Jugendliche bis zum 21. Lebensjahr, die in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften leben. In allen Punkten sind sich laut Bremer CDU Thomas Röwekamp und Direktkandidatin Wiebke Winter einig.

Bündnis 90 / Die Grünen

  • Wollen Hartz IV abschaffen .
  • Möchten die Grundsicherung durch eine "Garantiesicherung" ersetzen.
  • Garantiesicherung der Grünen ist eine Mindestsicherung, die ohne Sanktionen das "soziokulturelle Existenzminimum" sicherstellen soll .
  • Die Garantiesicherung soll höher liegen als die Hartz IV-Regelsätze, die die Grünen schrittweise anheben wollen.
  • Bürokratische Sanktionen wollen die Grünen abschaffen und so Zeit und Raum in den Jobcentern für "wirkliche Arbeitsvermittlung und Begleitung" gewinnen.
  • Den gesetzlichen Mindestlohn wollen die Grünen sofort auf 12 Euro pro Stunde anheben .

Das sagen die Bremer Bundestagskandidaten der Grünen

Eine blonde Frau hält eine Rede
Grünen-Bundestagsabgeorndete Kappert-Gonther will Teilhabe für alle auch am kulturellen Leben. (Archivbild) Bild: dpa | Britta Pedersen

"Wir Grüne wollen Hartz IV überwinden und durch eine Garantiesicherung ersetzen. Diese garantiert ein würdevolles Leben und sichert alle Menschen ab", sagen die Bundestagskandidaten Kirsten Kappert-Gonther und Michael Labetzke. "Sanktionen wollen wir abschaffen, damit niemand mehr unter das Existenzminimum rutscht", fügen sie hinzu.

Der Begriff "soziokulturelles Existenzminimum", den die Grünen im Zusammenhang mit der Garantiesicherung eingeführt haben, schließe auch die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ein, nicht nur die reine Existenzsicherung, so Kappert-Gonther und Labetzke. Sie bemängeln zudem, dass die heutigen Hartz IV-Sätze bewusst zu niedrig angesetzt seien: "Wir wollen die Regelsätze spürbar anheben, in einem ersten Schritt um mindestens 50 Euro."

Ein Mann Mantel blickt in die Kamera.
Michael Labetzke will mit den Grünen den Mindestlohn auf 12 Euro anheben. (Archivbild) Bild: Michael Labetzke

Zum Mindestlohn sagen Kappert-Gonther und Labetzke: "Wir wollen, dass man von Arbeit leben kann – und später eine auskömmliche Rente erhält. Deshalb wollen wir den Mindestlohn sofort auf 12 Euro anheben." Profitieren würden davon besonders "diejenigen, deren Berufe wir gerade erst in der Corona-Pandemie als systemrelevant gefeiert haben: Angestellte im Supermarkt, Paketboten, Gebäudereinigung, Hilfskräfte in der Altenpflege oder Menschen, die in der Abfallwirtschaft arbeiten."

Die Linke

  • Möchte Hartz IV abschaffen .
  • Stattdessen: Garantiertes Mindesteinkommen von 1.200 Euro .
  • Das Mindesteinkommen darf nicht gekürzt werden .
  • Tarifbindung soll ausgebaut werden.
  • "Arbeitsplätze und Tarifverträge sollen verteidigt werden .
  • Will den gesetzlichen Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen. Zuschläge für Sonntags-, Schicht- oder Mehrarbeit sowie Sonderzahlungen sollen nicht mit dem Mindestlohn verrechnet werden.
  • Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung und häufigere Kontrollen einführen, damit Mindestlohn eingehalten wird.
  • Arbeitslosenversicherung so entwickeln, dass auch Freiberufler und Soloselbstständige einzahlen .

Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen muss man keine Arbeitsstellen mit Mindestlohn annehmen! Man muss sich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr unter Wert verkaufen!

Radio-Bremen-Meinungsmelderin aus Wilhelmshaven

Das sagen die Bundestagskandidaten der Bremer Linkspartei

Grauhaariger Mann in Jacket strahlt vor weißem Hintergrund in die Kamera
Cinci Tuncel von der Linkspartei will Hartz IV abschaffen und ein Mindesteinkommen einführen. (Archivbild) Bild: Linksfraktion Bremen | Frank Scheffka

Cindi Tuncel, Bremer Bundestagskandidat der Linkspartei, sagt zu Hartz IV: "Im Rahmen der Gesetzgebung entstand in den letzten 15 Jahren ein massiver Niedriglohnsektor mit Jobs, die keine ausreichende Existenzsicherung oder Perspektive bieten." Die Bremer Spitenkandidatin, Doris Achelwilm, fügt hinzu: "Als Linke stehen wir mit unserer ganzen Existenz für die Abschaffung des Kardinalfehlers Hartz IV."

Als Zwischenschritt bis zur Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung fordern Tuncel und Achelwilm die sofortige Erhöhung der derzeitigen Grundsicherungsleistungen auf 658 Euro plus Übernahme der Wohn- und Stromkosten in tatsächlicher Höhe.

Doris Achelwilm (Linke)
Doris Achelwilm will den Mindestlohn mit den Linken auf 13 Euro anheben. (Archivbild) Bild: Die Linke | Cosima Hanebeck

Zu ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von wenigstens 13 Euro sagt Achelwilm, dass von höheren Mindestlöhnen die gesamte Gesellschaft profitiere, da sie eine höhere Kaufkraft und bessere Tarifabschlüsse nach sich zögen, zumal in Branchen, die der Aufwertung bedürften. "Niedriglöhne sind für die öffentliche Hand ein Zuschussgeschäft, weil der Staat für die Aufstockung von Niedriglöhnen durch ergänzende Sozialleistungen aufkommen muss, gewinnsteigernde Billigjobs also mit Steuergeldern querfinanziert", argumentiert Achelwilm.

FDP

  • Möchte bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz IV-Empfänger schaffen .
  • Die Motivation zur Arbeitsaufnahme soll durch höhere Freibeträge gefördert werden.
  • Möchte die Minijob- und die Midijob-Grenze erhöhen und "dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn" koppeln. Das soll verhindern, dass die Stunden, die Beschäftigte in Mini- oder Midijobs arbeiten, bei Lohnerhöhungen reduziert werden. Denn Mini- und Midi-Jobber dürften nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgeschnitten werden .
  • Tritt für "Liberales Bürgergeld" ein. Danach soll jeder Bürger bei Bedürftigkeit ohne Gegenleistung eine gesetzlich geregelte finanzielle Zuwendung erhalten.

- Möchte für "mehr Leistungsgerechtigkeit" sorgen. Das heißt: "gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung schaffen – unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung oder Religion"

Das sagen die Bremer Bundestagskandidaten der FDP

Bundestags-Spitzenkandidat der Bremer FDP Volker Redder
Volker Redder will für die FDP erstmals in den Bundestag einziehen. (Archivbild) Bild: Volker Redder

Jede und jeder Einzelne müsse die Chance haben, aufzusteigen – auch aus Hartz IV, sagen Volker Redder und Gökhan Akkamis, die für die FDP Bremen und Bremerhaven in den Bundestag einziehen wollen. Der moderne Sozialstaat müsse ermutigen, Potenziale freisetzen und Anstrengungen belohnen. Daher bräuchten Hartz IV-Empfänger bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten. "Die aktuellen Regeln sind demotivierend", finden die FDP-Politiker.

Redder und Akkamis wollen nach eigenen Angaben zudem, dass bei Grundsicherung mehr vom eigenen Vermögen bei den Menschen bleibt. "Das betrifft insbesondere das Altersvorsorge-Vermögen, die selbst genutzte Immobilie und das für die Erwerbstätigkeit benötigte angemessene Kraftfahrzeug", sagen die Bundestagskandidaten und fügen hinzu: "Wir wollen Menschen davor bewahren, ihre auch abseits der staatlichen Förderung eigenverantwortlich und hart erarbeitete Altersvorsorge auflösen zu müssen."

Dunkelhaariger Mann, Anfang 20, in Jacket lächelt für Portrait in die Kamera
FDP-Kandidat Gökhan Akkamis fordert, dass Hartz-IV-Empfänger mehr hinzuverdienen dürfen. (Archivbild) Bild: FDP Bremen

Zu den Plänen, die Minijob- und Midijob-Grenzen dynamisch an den Mindestlohn zu koppeln, erklären Redder und Akkamis, dass alle Bereiche der Wertschöpfung etwas davon hätten. "Beispielsweise profitieren Studentinnen und Studenten, die häufig in der Gastronomie geringfügig beschäftigt arbeiten", so die Politiker.

AfD

  • Hartz IV soll abgeschafft werden .
  • Stattdessen: "Aktivierende Grundsicherung": Hartz IV und zusätzliches Einkommen sollen also nicht wie bisher verrechnet werden .
  • "Spürbarer Anteil" des Verdienstes soll behalten werden .
  • Ziel: Arbeitsanreize schaffen: "Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist (…).".
  • Hartz IV und andere Sozialleistungen nur noch auf inländische Konten überweisen .
  • Mindestlohn: Beibehalten. Keine Aussagen über Höhe des Mindestlohns..

Die Bremer AfD hat auf die Anfrage von buten un binnen, die genannten Punkte zu erläutern, bislang nicht reagiert.

Autorinnen und Autoren

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. Juli, 19.30 Uhr