Wie wirksam sind Waffenverbotszonen? Das zeigen Erfahrungen aus Bremen
Vizekanzler Habeck fordert nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen mehr Waffenverbotszonen. In Bremen gibt es solche Zonen bereits. Welchen Effekt hatten sie?
Nach dem Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen, bei dem drei Menschen starben, hat sich Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) für "mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze" ausgesprochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits nach der Messerattacke in Mannheim Ende Mai, bei der ein Polizist getötet wurde, bundesweit Waffenverbotszonen gefordert.
In Bremen gibt es solche Zonen bereits – am Bremer Hauptbahnhof weisen die gelben Schilder mit den durchgestrichenen Pistolen, Messern und Schlagstöcken darauf hin. Seit 2009 sind Waffen rund um den Bahnhof und die Discomeile verboten. Auch im Bremer Viertel ist das Mitführen von Waffen und gefährlichen Gegenständen seit Juli teilweise verboten. Aber: Bringen solche Verbote überhaupt etwas? Fragen und Antworten.
Wie sinnvoll sind Waffenverbotszonen?
Das ist nicht hundertprozentig geklärt. Eine Sprecherin der Bremer Innenbehörde teilte auf Anfrage mit, dass es bislang keine wissenschaftliche Studie dazu gebe. Die Erfahrungen und Beobachtungen der Polizistinnen und Polizisten vor Ort aber zeigten, dass das Waffenverbot "ein wichtiger Baustein unter vielen anderen" sei, um die Sicherheit am Bahnhof zu erhöhen.
Denn neben dem Waffenverbot gelten am Bahnhof weitere Regeln wie das Alkohol-, Drogen- und Glasflaschenverbot. Die Polizei könnte Passanten in der Verbotszone so leichter kontrollieren und ihnen verbotene Gegenstände abnehmen, sagte eine Polizeisprecherin.
Zudem dienen die entsprechenden Zonen der Innenbehörde zufolge "der Sichtbarmachung der Verbote und der Abschreckung".
Der Kriminologe Rafael Behr von der Polizeiakademie Hamburg sagt: wenn an jeder Ecke ein Polizist stehe, helfe das beileibe nicht, die Sicherheit zu erhöhen. Man müsse gezielt in bestimmte Milieus und Gebiete hineingehen – das seien bei den Waffen- und Messerverbotszonen vor allem Bahnhöfe und Vergnügungsviertel.
Dort haben Messerverbote schon einen Nutzen. Denn: Je weniger gefährliche Gegenstände in einer Gesellschaft vorhanden sind, desto höher ist das Sicherheitsniveau.
Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften und Kriminologie
Hat die Einrichtung der Waffenverbotszone am Hauptbahnhof generell die Zahl der Straftaten verringert?
Die Straftaten sind seit der Einführung der Verbotszone am Bahnhof kontinuierlich angestiegen. Während es 2019 im Ortsteil Bahnhofsvorstadt noch rund 5.200 Straftaten gab, waren es in 2023 mit rund 10.000 fast das Doppelte. Wieviele dieser Taten im Zusammenhang mit Waffen stehen, ist allerdings nicht klar.
Einen deutlichen Sprung gab es insbesondere von 2022 auf 2023 – hinzugekommen waren fast 3.600 Straftaten. Auch direkt im Hauptbahnhof hat die Bundespolizei mit rund 3.200 Taten im vergangenen Jahr rund 600 Straftaten mehr als im Vorjahr gezählt. Die Zahlen gelten nicht explizit für die Waffenverbotszone am Bremer Hauptbahnhof, so eine Statistik führt die Polizei nicht.
Wichtig ist außerdem zu beachten: Der Anstieg bei den Straftaten ist auch darauf zurückzuführen, dass die Polizei mehr kontrolliert. In solchen Zonen entdeckten die Beamten natürlich auch mehr Straftäter, sagte eine Polizeisprecherin. Und: Das Drogenverbot am Bremer Hauptbahnhof gilt seit Ende 2023, auch das dürfte zu dem Anstieg bei den Zahlen geführt haben.
Mehr Messerangriffe in Bremen und Bremerhaven
Was die Messerangriffe angeht, wurden in der Stadt Bremen im vergangenen Jahr 315 erfasst. Das waren 37 mehr als im Jahr 2022. In Bremerhaven waren es 2023 76 Messerangriffe, im Jahr zuvor noch 63. Auch Bundesweit hat sich Zahl der Messerangriffe von 2022 auf 2023 erhöht. Messerangriffe werden allerdings erst seit 2020 statistisch in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.
Auch in anderen Städten gibt es Waffenverbotszonen. Wie sind die Erfahrungen dort?
Vielerorts gibt es Lob für die Verbotszonen. Für Nordrhein-Westfalen zieht Innenminister Herbert Reul (CDU) ein positives Fazit: In Düsseldorf und Köln hat die Polizei bei Kontrollen demnach mehr Waffen und Messer sichergestellt. Er räumte aber auch gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger ein: "Es gibt nicht die eine Lösung gegen Messergewalt."
Auch die niedersächsische Polizei sieht Verbotszonen bislang als "zielführend". Eine genaue Auswertung gebe es dort aber noch nicht. In Frankfurt am Main gilt seit November ein Waffenverbot im Bahnhofsviertel – die Verbotszone wurde dort eingeführt, weil die Straftaten mit Messern und Pfefferspray um das Dreifache gestiegen waren.
Waffenverbotszone in Leipzig hat Kriminalität nur wenig verringert
Als erstes Bundesland führte Hamburg 2007 eine Waffenverbotszone auf der Reeperbahn und am Hansaplatz ein. Die Zahl der gefundenen Messer nahm in den ersten Jahren des Verbots ab, danach schwankte sie. Die Zahl der Straftaten ist jedoch nicht gesunken, zeigt eine Statistik aus dem Jahr 2016.
Eine Studie zu einer Waffenverbotszone in Leipzig zeigt, dass die Zone die Kriminalität kaum verringert hat. Schwere Körperverletzungen, zum Beispiel mit Messern, gab es aber danach ein bisschen weniger. Anwohner hätten die Zone als "subjektiv wirkungslos" erfahren.
Dieser Artikel erschien bereits im April in einer kürzeren Fassung und wurde aufgrund aktueller Ereignisse aktualisiert.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 11. April 2024, 15:13 Uhr