Sorge um Koschnicks Erbe: Was geschieht mit dieser Bremer Bauruine?

Bild: Andreas Lieberg

In Bremen-Gröpelingen verfällt ein Haus, in dem der ehemalige Bürgermeister Hans Koschnick aufwuchs. Eine Bürgerinitiative will dem jetzt ein Ende setzen.

Die Türen mit Holzbrettern vernagelt, die Fenster zersplittert, die grauverwitterte Fassade vom Zahn der Zeit zerfressen. Hier und dort liegen herabgestürzte Mauerbrocken und abgebrochene Holzlatten herum. Auf einem Transparent an der Fassade steht: "Das ist keine Kunst, das kann weg." Daran, dass in diesem Haus einst ein Mann lebte, nachdem sogar Bremens Flughafen benannt ist, erinnert hier nur noch ein blaues Schild an einem Bauzaun. "Hans Koschnick, 1926 - 2016, Bremer Bürgermeister" steht dort. Er lebte hier immer wieder von 1934 bis 1954 bei seinen Großeltern, weil seine Eltern von den Nazis verfolgt wurden.

Denkmalschützer sehen keine Optionen

"Seit 32 Jahren verfällt dieses Haus nun", sagt der Gröpelinger Andreas Lieberg. Der Musiker hat das Transparent gemeinsam mit einem Bremer Künstler an der Fassade angebracht. Schon wegen seiner Größe wirke die Bauruine wie ein Mahnmal gegen Missbrauch von Wohneigentum und staatlicher Schwäche, sagt Lieberg.

In diesem Jahr soll Hans Koschnick ein Platz in Gröpelingen-Ohlenhof gewidmet werden – im selben Stadtteil verkommt sein Andenken.

Andreas Lieberg, Begründer der Initiative "Koschnick-Haus"

Doch wäre das Koschnick-Haus in der Geeststraße 134 in Bremen-Gröpelingen überhaupt noch zu retten? Bremens oberster Denkmalschützer Georg Skalecki macht da wenig Hoffnung. Zwar könne die Verbundenheit einer berühmten Persönlichkeit mit einer Immobilie für den Denkmalschutz eine Rolle spielen. "Wir sprechen dann zum Beispiel vom Geburtshaus Goethes", sagt Skalecki. In diesem Fall reiche die Verbundenheit mit der Person Hans Koschnick allerdings nicht aus. "Deshalb haben wir da auch keine Optionen", sagt er.

Initiative fordert Rückbau des Hauses

Geburtshaus von Hans Koschnick mit einer Bäckerei von Harry Boehme, 1925
1925 war im Koschnick-Haus noch eine Bäckerei untergebracht. Bild: Geschichtswerkstatt Gröpelingen

Doch selbst wenn die Denkmalschützer Interesse hätten, stünde es wohl schlecht. Ein Statiker habe die Immobilie bereits für unbewohnbar erklärt, sodass sie nicht einmal mehr unter das Wohnraumschutzgesetz falle, sagt Andreas Lieberg. Er geht daher auch einen anderen Weg. Gemeinsam mit Gleichgesinnten hat er eine Petition gestartet. Die Initiative "Koschnick-Haus" fordert die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnungsbau auf, einen Rückbau der Ruine zu veranlassen, es soll also abgerissen werden.

Das von den Petenten adressierte Bauressort zeigt sich auf Nachfrage buten un binnens zwar aufgeschlossen gegenüber den Forderungen der Bürgerinitiative. Es verweist aber auch darauf, dass das Gebäude noch immer im Privatbesitz sei. "Der besondere Schutz des Eigentums macht die Dinge kompliziert", sagt Bauressort-Sprecher Jens Tittmann.

Eigentümer hofft auf Hilfe vom Staat

Eigentümer der Schrottimmobilie ist seit 1986 der Weyher Bauschutzunternehmer Axel Kämmerer. Er habe das Haus bis zur Jahrtausendwende instandgesetzt, sagt er. Im Januar 2000 sei es dann jedoch abgebrannt. "Fahrlässige Brandstiftung", heißt es im Versicherungsbericht. Unbefugte hätten im noch leeren Haus gezündelt, sagt Kämmerer.

Sein Problem: Der Unternehmer hatte die Immobilie zu diesem Zeitpunkt nicht hoch genug versichert. Die Schuld dafür gibt er der Versicherung, die nach der Sanierung seinen Antrag abgelehnt habe, den Versicherungswert zu erhöhen. Statt eines Schadens von gut 800.000 Euro sei so nicht einmal die Hälfte bezahlt worden, sagt er.

Geschuldet ist die Schrottimmobilie der Tatsache, dass die Versicherung mich schwer über den Tisch gezogen hat.

Axel Kämmerer, Eigentümer der Koschnick-Immobilie in Gröpelingen

Das Geld für die Fertigstellung habe infolgedessen gefehlt, sagt Kämmerer. Auch in den zwei Jahrzehnten danach habe sich die Situation nicht verbessert. Aufgrund des Feuers hätten bei einer Sanierung neue, strengere Bauvorschriften zum Beispiel für Schall- und Wärmeschutz eingehalten werden müssen, sagt er. Darüber hinaus habe seine Scheidung seit 2011 aufgrund von Mitspracherechten seiner Ex-Frau verhindert, dass er Mittel für die Immobilie habe aufnehmen können.

Archivbild: Bürgermeister Hans Koschnick in der Bürgerschaft 1984.
Bürgermeister Hans Koschnick 1984 in der Bremischen Bürgerschaft. Bild: Radio Bremen

2017 habe er noch einmal versucht, über eine Fördermaßnahme des Bauressorts die Sanierung voranzutreiben. "Das war eigentlich ein Lichtblick", sagt Kämmerer. Doch auch das scheiterte letztlich. Bei einer Begehung sei die für die Stadt zuständige Architektin zu dem Schluss gekommen, dass eine Sanierung zu teuer sei. "Da hat Bremen dann gesagt, das machen wir doch nicht."

Funkstille zwischen Eigentümer und Ressort

2017 habe es tatsächlich Gespräche mit Kämmerer gegeben, bestätigt das Bauressort buten un binnen. Kämmerer habe die Idee gehabt, ob nicht ein sozialer Träger der Stadt Interesse daran hätte, die Sanierung vorzunehmen. Im Gegenzug habe er angeboten, dass der Träger das Haus zehn Jahre mietfrei nutzen könne, sagt Ressortsprecher Jens Tittmann. Die Begehung habe allerdings gezeigt, wie stark sanierungsbedürftig die Immobilie schon zum damaligen Zeitpunkt gewesen sei. Die Idee einer "Sanierung und einer kostenlosen Abwohnung" sei danach hinfällig gewesen, so Tittmann. Überschlagsmäßig sei ermittelt worden, dass die Sanierungskosten ungefähr die Höhe von Neubaukosen betragen würden.

Im November 2018 habe das Bauressort Kämmerer die Situation erläutert und ihm in Aussicht gestellt, eine finanzielle Förderung zu prüfen, um die Differenz zwischen Grundstückswert und Abbruchkosten durch Mittel der Städtebauförderung zu übernehmen, sagt Tittmann. So wäre Kämmerer zumindest mit einer Nullsumme rausgekommen. "Das hat aber nicht gefruchtet", sagt der Bauressortsprecher. Stattdessen bat der Unternehmer Anfang 2019 um einen Gesprächsaufschub. Der Eigentümer sei seitdem weder über seine Telefonnummer noch seine E-Mail-Adresse zu erreichen, so Tittmann.

Bauressort prüft Möglichkeiten für Abriss

Inzwischen sei die Stadt zu dem Schluss gekommen, dass das Gebäude abgerissen werden solle. Zumal es sich bei dem seit 2019 nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Willy Hundertmark benannten Platz, an dem die "Bauruine" stehe, um das "Entrée nach Gröpelingen" handele, sagt Tittmann.

Wir prüfen derzeit alle rechtlichen Schritte, dieses Ziel umzusetzen.

Jens Tittmann, Sprecher des Bau- und Stadtenwicklungsressorts
Hans Koschnick im Studiogespräch
Hans Koschnick war auch immer wieder Gesrpächsgast bei buten un binnen. Bild: Radio Bremen

Die rechtlichen Optionen, die Bremen hat, werden auch in der Petition von Andreas Lieberg und seinen Mitstreitern als Hebel genannt. So heißt es beispielsweise in Paragraph 79, Absatz 2, der Landesbauordnung: "Soweit bauliche Anlagen nicht genutzt werden und im Verfall begriffen sind, kann die Bauaufsichtsbehörde den Abbruch oder die Beseitigung anordnen, es sei denn, dass ein öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse an ihrer Erhaltung besteht."

Was mit dem Koschnick-Haus passiert, könnten also bald Gerichte entscheiden. Nur eins ist klar: Ein Neubau würde wohl nicht so gewaltig daherkommen wie die aktuelle Immobilie, die einst dreigeschossig war, aber inzwischen fünf Stockwerke hat. Denn gebaut werden dürfte nach einem Abriss nur noch dreistöckig. Das Gedenken an Bremens ehemaligen Bürgermeister würde sich dann wohl sehr schnell an andere Orte verlagern – zum Beispiel an den noch für dieses Jahr geplanten Hans-Koschnick-Platz ganz in der Nähe am Gröpelinger Ohlenhof-Carré.

Rückblick: buten un binnen besucht Gröpelingen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. April 2022, 19:30 Uhr