Infografik

Wieso Bremen noch mehr Geld in den Jade-Weser-Port stecken muss

Containerschiffe liegen am Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port
Containerschiffe liegen am Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port: ein Bild, das man in den ersten Jahren des Hafens seltener gesehen hat als gedacht. Bild: dpa | Sina Schuldt

Bremen und Niedersachsen müssen ihren Jade-Weser-Port mit 125 Millionen Euro vor der Pleite retten. Dabei hatten sie ihn anfangs als "Jahrhundert-Projekt" gefeiert.

Die jüngsten Meldungen vom Jade-Weser-Port erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich. Einerseits vermeldet die Hafenmarketinggesellschaft Seaports of Niedersachsen für 2024 ein Umsatzplus von 13 Prozent gegenüber 2023 für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Andererseits benötigt die Betreibergesellschaft des Jade-Weser-Ports, die Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft, kurzfristig 125 Millionen Euro, um ein Darlehen der Europäischen Investitionsbank zurückzuzahlen. Andernfalls droht dem Hafen das Aus.

Bremen und Niedersachsen müssen die 125 Millionen als einzige Gesellschafter zu gleichen Teilen aufbringen. Und dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben: Wie Holger Banik, Geschäftsführer der Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft dem NDR sagte, werde der Hafen bald noch mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Er müsse ausgebaggert werden, um die nötigen Fahrwassertiefen sicherzustellen.

Gast Burkhard Lemper
Burkhard Lemper führt den vermeintlich schleppenden Start des Jade-Weser-Ports auch auf überzogene Erwartungen vor der Eröffnung zurück. Bild: Radio Bremen

Wieso der Jade-Weser-Port nach seiner Eröffnung im September 2012 trotz optimistischer Prognosen nur langsam in Fahrt kommt, erklärt Burkhard Lemper, Geschäftsführer beim Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik sowie Professor an der Hochschule Bremen.

1 Fehleinschätzung der Containerschifffahrt

Weltweit habe man vor der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 die Entwicklung des Containerumschlags zu optimistisch eingeschätzt, sagt Lemper. Man sei, auch in Europa, von viel zu hohen Zuwächsen ausgegangen, von jährlichen Wachstumsraten um bis zu sechs Prozent. "Tatsächlich sind nach 2009 die Mengen an der europäischen Nordwestküste sehr langsam gewachsen und zeitweise in mehreren Häfen sogar zurückgegangen."

2 Schwierige Zeit für neuen Standort

Als der Jade-Weser-Port im September 2012 den Betrieb aufnahm, hatte sich das Containergeschäft in der Nordrange immer noch nicht vollständig von der Wirtschaftskrise erholt. Unter Nordrange versteht man die für den Containerumschlag wichtigsten kontinentaleuropäischen Häfen der Nordsee. "Da war es natürlich besonders schwierig, einen neuen Hafen in die Netzwerke und Pläne der Reedereien zu integrieren", sagt Lemper. Denn viele Kunden der Häfen setzten lieber auf bereits etablierte Verkehrswege statt etwas Neues auszuprobieren. Entsprechend schwierig sei es für Reedereien, einen neuen Hafen kostengünstig einzubinden. 

3 Schlechte Anbindung ans Hinterland

"Wilhelmshaven hatte lange das Manko, dass die Schienenverbindung nicht elektrifiziert und teilweise nicht zweigleisig ausgebaut war", so Lemper. Züge hätten mitunter den Gegenverkehr abwarten müssen. Dieses Problem sei inzwischen behoben.

Auch sei die Bahnstrecke Wilhelmshaven-Oldenburg seit 2022 vollständig elektrifiziert. Bis die erforderlichen Zugverbindungen aber in den notwendigen hohen Taktungen bereitgestanden hätten, sei weitere Zeit verstrichen, sagt Lemper: "Und weil diese Verbindungen fehlten, war der Hinterlandverkehr entsprechend teuer."

Entwicklung der Container-Umschläge im Jade-Weser-Port

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4 Keine Binnenschifffahrt

Die Binnenschifffahrt gilt als kostengünstigste Methode, um Ziele im Hinterland mit Gütern zu versorgen. Doch der Jade-Weser-Port ist mangels eines entsprechenden Flusses oder Kanals an keine Binnenschifffahrtsstraße angebunden. 

In diesem Punkt sind Bremerhaven und Hamburg gegenüber dem Jade-Weser-Port – dank Weser und Elbe – zwar im Vorteil. Bei weitem am besten aber seien Rotterdam und Antwerpen an das Binnenschifffahrtsnetz angebunden, betont Lemper. Denn weder die Weser noch die Elbe seien im Landesinneren so tief wie der Rhein, über den Rotterdam und Antwerpen das Hinterland erreichen.

Alles, was entlang der Rheinschiene liegt und über Binnenschifffahrt bedient werden kann – da können die deutschen Seehäfen gegen die Westhäfen nur schwer antreten.

Burkhard Lemper

5 Kein lokaler Markt

Häfen in Städten wie Hamburg leben auch davon, dass bis zu 40 Prozent der Güter, die dort ankommen, vor Ort Abnehmer finden. Doch in Wilhelmshaven gibt es praktisch keinen lokalen Markt.

Um dieses Manko auszugleichen, versuche man dort mit einem Güterverkehrszentrum neue Verteilstrukturen zu etablieren, sagt Lemper. Helfen könne hierbei die gute Anbindung an das Ruhrgebiet über die Autobahn 29. "Die Verkehrsbelastung ist hier längst nicht so hoch wie beispielsweise auf der Hamburger A1", sagt Lemper. Daraus könnten Wilhelmshaven Vorteile für den Lkw-Verkehr erwachsen.

6 "Transshipment" ausbaufähig

Der Jade-Weser-Port ist vor allem gedacht als Anlaufstelle für Riesenschiffe mit großem Tiefgang. Ein großer Teil dieser Schiffe – so die Idee – soll Ladungen für kleinere Schiffe bereithalten, die andere Häfen mit geringerem Tiefgang und geringerem Volumen ansteuern. Dieses Umladen von Containern oder Autos auf so genannte Feederschiffe nennt man Transshipment.

Speziell für Lieferungen nach Skandinavien oder Osteuropa seien Wilhelmshaven und die anderen deutschen Containerhäfen im Grund prädestiniert, sagt Lemper. Trotzdem hätten Antwerpen und Rotterdam den deutschen Häfen beim Transshipment in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten den Rang abgelaufen, auch wegen der beschränkten Wassertiefe von Weser und Elbe. So seien die Umschlagszuwächse Rotterdams und Antwerpens der jungen Vergangenheit auch auf das Transshipment zurückzuführen – weniger auf zusätzliche Ladungen aus dem und für das Hinterland. Anders herum: Die deutschen Seehäfen haben vor allem im Transshipment Marktanteile verloren.

Weshalb das Transshipment so wichtig für einen Hafen ist, fasst Lemper mit den Worten zusammen: "Jeder Container, der in diesem Konzept bewegt wird, wird zweimal angefasst, hat zwei Umschlagsvorgänge: Er wird vom großen Schiff entladen und aufs kleine Schiff verladen." Entsprechend wiege der Verlust von Feeder-Containern für einen Hafen statistisch noch schwerer als der von Containern, die über das Hinterland abtransportiert würden.

Bremen muss Darlehen für Bau des Jade-Weser-Ports zurückzahlen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. März 2025, 19:30 Uhr